Es ist die turnusmäßige Pressekonferenz der Bezirksvereinigung der Volks- und Raiffeisenbanken im Kreis Calw (BZV). Aber diesmal findet sie per Video-Konferenz statt – natürlich der Corona-Krise wegen. Und die überschattet auch die eigentliche Nachricht eines Rekordjahres 2019.
Um stolze 7,5 Prozent oder 251 Millionen Euro wuchs im Berichtszeitraum das gemeinsame Bilanzvolumen (bezogen auf den Landkreis Calw) der Volksbank Herrenberg-Nagold Rottenburg, der Raiffeisenbank im Kreis Calw und der Volksbank Nordschwarzwald – auf knapp 3,6 Milliarden Euro. "Eine überaus erfreuliche Entwicklung", so Jörg Stahl als Vorsitzender des BZV im Video-Live-Stream. "2019 wird als eines der besten Jahre überhaupt in die Geschichte unserer Banken eingehen."
"Rechnen mit deutlicher Verschlechterung der Ergebnisse"
Was vielleicht die enorme Fallhöhe verdeutlicht, die auch die Volk- und Raiffeisenbanken in den letzten Wochen unter dem Eindruck der Corona-Krise erleben mussten. "Aufgrund der aktuellen Entwicklungen rechnen wir aus heutiger Sicht mit einer deutlichen Verschlechterung der Ergebnisse" im laufenden Jahr. "2020 wird eher ein schwieriges Jahr werden." Weil, so Stahl, gleich drei negative Faktoren aktuell zusammenkämen: Durch die neuen Unsicherheiten am Arbeitsmarkt und die "massiv startende" Kurzarbeiterwelle in den Betrieben, würde sich zum Einen das bisherige massive Wachstum bei den (Immobilien-)Krediten "spürbar verlangsamen". So wuchs das Kreditvolumen insgesamt der BZV-Banken noch 2019 um 8,1 Prozent oder 209 Millionen Euro auf knapp 2,8 Milliarden Euro.
"Jetzt rechnen wir eher mit Krediten zur Unterstützung der privaten Eigenheimbesitzer", um eventuell durch Lohnausfälle verursachte Liquiditätsengpässe zu kompensieren. Weshalb man beim BZV "bei den Zinseinnahmen eher von einer Seitwärts-Entwicklung" ausgehe.
Gleichzeitig aber würden die Sachkosten der Banken aktuell "in die Höhe schießen" – für seine eigene Bank, der Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg, etwa "mussten wir die letzten Tage einen größeren sechsstelligen Betrag aufbringen, um kurzfristig mobile Arbeitsplätze zu schaffen", so Jörg Stahl. Damit Kollegen im Homeoffice vor Ansteckung geschützt würden; oder Eltern daheim ihre Kinder betreuen könnten, weil ja sowohl Kitas als auch Schulen geschlossen seien.
Dritter Faktor, der die Bilanzen der Genossenschaftsbanken im laufenden Jahr mutmaßlich belasten wird – bei dem Stahl aber "aktuell sehr, sehr vorsichtig" formuliert – ist die "erhöhte Risikovorsorge" der Banken: "Es ist unter Umständen damit zu rechnen, dass Kreditausfälle schon dieses Jahr zunehmen werden" – vor allem "wenn der ›Spuk‹ noch wesentlich länger dauert als aktuell prognostiziert." Aber eigentlich sei er, so Stahl, im Moment sehr zuversichtlich, "dass wir die Herausforderungen bewältigen werden" – nachdem "die letzten zwei Wochen die härtesten meines Berufslebens" gewesen seien. "Und ich bin seit 38 Jahren in dieser Branche unterwegs."
Nachhaltigkeit in der breiten Öffentlichkeit angekommen
Zusätzlich wird es wohl 2020 auch Wertkorrekturen bei den Kundeneinlagen geben – nachdem diese im vergangenem Jahr mit 4,170 Milliarden Euro (+ 8,1 Prozent oder 314 Millionen Euro) ebenfalls einen neuen Spitzenwert erreicht hätten. Rund 1,54 Milliarden Euro dieser Kundeneinlagen würden "außerbilanziell" geführt – heißt: sie entsprechen Kunden-Depots beispielsweise für börsennotierte Wertpapiere. Und genau diese erlebten infolge der Corona-Krise in den vergangenen Tagen einen beispiellosen Kursabsturz – und damit verbunden eine ebenso einmalige Wertvernichtung. Was einen anderen, aus Sicht des BZV eigentlichen sehr erfreulichen Trend bei diesen außerbilanziellen Kundeneinlagen etwas verdeckt: Im Jahr 2019 sprang bei der Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, der Anteil sogenannter "nachhaltiger Fondslösungen" – also solche, die in Unternehmen mit ökologischen und sozialen Grundsätzen investieren – von acht Prozent im Vorjahr auf 40 Prozent der gesamten Netto-Investitionssumme hoch. "Das beweist, dass das Thema Nachhaltigkeit auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist."
Wobei das Thema der Stunde eher weniger gute Anlagestrategien sein dürften, als gute Konzepte für die Krisenbewältigung – gerade für die Betriebe und Unternehmen der Region. Die Versorgung mit Bargeld durch die Banken der BZV sei sichergestellt. Bei der kurzfristigen Versorgung vor allem der Unternehmen mit (zusätzlicher) Liquidität setze man auf die Förderbanken KfW und L-Bank, wobei erstere eher – mit den Worten von Bundesfinanzminister Olaf Scholz – "die Bazooka" darstelle, mit großen Kreditvolumina für die ganz großen Unternehmen. Die auch entsprechend "längere Genehmigungszeiträume" bräuchten. "Die KfW-Bank ist da eher kompliziert."
Die L-Bank sei da, so Stahl, "deutlich pragmatischer unterwegs", mit Genehmigungsphasen – je nach Kredit-/Bürgschaftshöhen – von ein bis maximal 15 Tagen. Allerdings lägen hier die Obergrenzen bei 2,5 Millionen Euro, was eher kleine bis mittlere Unternehmen adressiere. Folgen würden aber – entsprechend den Ankündigungen der Bundes- und Landespolitik – sicher weitere öffentliche Fördermittel und Sonderprogramme der Förderinstitute, um die Unternehmen durch die aktuelle Krise zu helfen. Allerdings fordert Jörg Stahl auch von Finanzminister Scholz, "uns Banken weiter von den Haftungsrisiken durch diese Fördermaßnahmen zu entlasten", denn aktuell lägen 20 Prozent der Risikohaftung immer noch bei den Hausbanken. Womit der Rettungsschirm des Bundes von 500 Milliarden Euro für die Unternehmen "in Wahrheit um 100 Milliarden Euro schrumpfe" – eben um den Risikoanteil, den die Banken aktuell aus eigener Kraft beisteuern müssen.